Supplier Management
Wie Zulieferer in der Automobilindustrie das Steuer selbst in die Hand nehmen können
Zulieferer in der Automotive-Branche stehen häufig unter massivem Druck. In vielen Fällen ist auch die Produktion der Vorprodukte beim Lieferanten von der Produktionsplanung des Automobilherstellers abhängig. Durch hohe Taktung und kurze Planungszeiträume erfolgen die Materialbestellungen der Zulieferer kurzfristig und Aussagen über die tatsächlich lieferbare Menge sind häufig ungenau. Eine digitale Logistikplattform kann hier Abhilfe schaffen.
Flaschenhals Laderaum
Laderaum ist begrenzt und meist gibt es wenig zeitlichen Spielraum. Daher erfolgt die Beauftragung eines Spediteurs oftmals ohne eine Angabe der tatsächlichen Lademengen. Der Spediteur bucht beim Zulieferer ein Zeitfenster für die Anlieferung, bevor alle Slots vergriffen sind. Da er nicht wissen kann, welche Mengen er anzuliefern hat, bucht er auf Verdacht nur eine ungefähre Zeitfensterlänge. Vielfach können die Fahrer:innen das gebuchte Zeitfenster aufgrund von Verspätungen und längerer Entladezeiten jedoch nicht einhalten. Die Kapazitäten reichen nicht aus und es entstehen lange Wartezeiten für die Fahrer:innen.
Ein zusätzliches Problem: Diese dürfen aufgrund ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten gar nicht so lange warten. Daher fahren sie regelmäßig entweder mit dem Material wieder ab oder entladen dieses vor dem Werksgelände, was für zusätzliche Verzögerungen und Unzufriedenheit auf allen Seiten sorgt. Des Weiteren kommt es immer wieder zu Differenzen im Bereich der Leergutrückführung und den Klärungsfällen mit den Spediteuren.
Im schlimmsten Fall bringen die Verspätungen die Produktion zum Stillstand und gefährden damit die Liefertermine beim Automobilhersteller. Das zieht nicht nur Sonderfahrten zum OEM und empfindliche Pönalen nach sich, sondern auch schlimme Folgen für die Kundenbeziehung. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, verwenden Mitarbeiter:innen beim Zulieferer viel Zeit darauf, bessere Informationen über Liefermengen und -Termine zu erhalten. Es werden unzählige Telefonate geführt und Tracking-Informationen abgerufen. Ein weiteres Hindernis in Sachen Transparenz stellen oftmals die verwendeten Tools dar: E-Mails, Excel-Tabellen und manuelle Systemeingaben sind nur mit großem Aufwand nachzuhalten.
Umstellung auf Selbstabholung
Die Abhängig von Dritten macht es Zulieferern unheimlich schwer, verbindliche Aussagen über Liefermengen und -termine zu treffen. Eine Lösung wäre, auf Selbstabholung umzustellen, unter Umständen in Kombination mit Milkruns. So soll die Produktionsversorgung sichergestellt und die Lieferfähigkeit garantiert werden. Die Mitarbeiter:innen sollen sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können und durch automatisierte Prozesse entlastet werden.
Transparenz und Prozessmanagement mit einer digitalen Logistikplattform
Der Bestellprozess ließe sich insbesondere durch eine koordinierte Kommunikation zwischen den Beteiligten vereinfachen: Der Zulieferer bestellt bei seinem Lieferanten im Web-UI und gibt das Wunschlieferdatum an. Der Lieferant wird darüber umgehend auf elektronischem Wege informiert.
Der Lieferant avisiert nun über die Plattform auf Lieferpositionsebene Mengen, Daten und Verpackungsinformationen. Diese Information bekommt der Zulieferer automatisch zurückgespielt. Jetzt weiß er im Detail, wann welches Material, in welcher Verpackung, in welcher Stückzahl zur Abholung bereitsteht. Er kann nun Transporte planen und einen Spediteur beauftragen.
Der Spediteur wird darüber informiert, wie viele Packstücke mit welchem Gewicht ab wann und von wo nach wo, mit welchem Termin zu transportieren sind. Er wird zur Buchung eines Anlieferzeitfensters aufgefordert. Die Zeitfensterlänge ist dabei jedoch nicht mehr willkürlich bzw. auf Verdacht wählbar, sondern wird über einen Algorithmus auf Basis bestimmter Parametern (bspw. Materialart, Mengen, Verpackungsart) berechnet.
Der Zulieferer hat nun alle Informationen über Liefertermin, -menge, und Verpackung, und das mit direktem Bezug zur Bestellung. Eine realistische Planung kann er nun auf Basis der tatsächlich erwarteten Entladedauer und anhand bestehender Kapazitäten vornehmen – es kann nicht mehr gebucht werden, als die freien Kapazitäten erlauben. Auch die Statusmeldungen („LKW ist beladen und fährt los“) des Spediteurs stehen dem Zulieferer unmittelbar zur Verfügung und sind im Prozessbeleg ersichtlich. Es herrscht Transparenz über Liefertermine und mögliche Abweichungen, ohne dass die Kommunikation zwischen den Beteiligten auf weitere Kanäle, wie E-Mail, Chats und Telefonanrufe ausgeweitet werden muss.
Klärfälle einfach auf Basis handfenster Informationen regeln
Geht doch einmal etwas schief, ist ein transparentes Dispute Management wünschenswert, das Klärungsfälle zwischen dem Spediteur und dem Zulieferer bereits vor der Gutschrifterstellung regelt und berücksichtigt. Da auch die Klärungsfälle mithilfe einer Logistikplattform direkt und digital auf Belegebene festgehalten werden können, ist dies somit nachvollziehbar und ohne Medienbrüche möglich.
Doch damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Man kann in der Digitalisierung und Vereinfachung seiner Prozesse sogar noch einen Schritt weiter gehen. Die nächste Ausbaustufe könnte sogar ein Inbound Control Tower sein, um vollständige Transparenz ab dem Zeitpunkt der Bestellung über die Ankunft des LKW bis zur Entladung zu erreichen.
Next Level Inbound-Logistik mithilfe eines Supply Chain Control Towers
Dieser Ansatz umfasst die vollumfängliche Digitalisierung des Werksgeländes und ermöglicht darüber hinaus eine selbstständige Registratur der LKW-Fahrer:innen in seiner Landessprache, auf Wunsch eine Sicherheitsunterweisung sowie die Steuerung durch den Entladeprozess inkl. aller Abrufe zur jeweiligen Rampe bis zum Check-Out. Diese selbstgeführte Anmeldeprozess kann einerseits durch Self-Check-Terminals, andererseits durch smarte Web-Anwendungen für Smartphones oder Tablets umgesetzt werden. Dadurch werden alle Schritte digital dokumentiert und verschwinden letztendlich nicht in einem Aktenordner im Regal im Leitstand.
Auf diesem Wege kann der Automobilzulieferer seine Ziele erreichen und seine prozessualen Hürden überwinden: Er hat nun die Grundlage, um Milkruns umzusetzen, die Spitzen in seinem Wareneingang sind geglättet, die Produktionsversorgung ist somit sichergestellt und die Mitarbeitenden haben spürbar geringeren manuellen Aufwand.
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